Unbekannter Mastdarm
Erstellt von r.ehlers am Donnerstag 17. März 2016
Sicher kennen Sie die berühmte Legende aus dem alten Rom, wonach der Senator Agrippa im Jahre 494 v.Chr. den Plebejeraufstand gegen die ungerechte Herrschaft der Patrizier mit dem Vortrag folgender Parabel bewogen haben soll, ihre Sezession abzuwenden (tatsächlich versprach er die Einsetzung zweier Volkstribune, die im Interesse des Plebs ein Vetorecht gegenüber den Entscheidungen des Senats erhielten):
Die Glieder des Körpers waren es überdrüssig, immer nur dem faulen Magen dienen zu müssen und stellten ihre Arbeit ein. Dadurch wurde aber der ganze Körper und wurden auch sie selbst geschwächt. Die Plebejer hätten verstanden, dass in einem gegliederten Ganzen wie dem Körper oder eben auch dem Staat jeder Teil eine für das Ganze sinnvolle Funktion ausübe.
Als der Dichter Eugen Roth sein schönes Gedicht über das Arschloch als Boss im Körper schrieb, kannte er zweifellos diese römische Legende (zum Wortlaut: http://www.lustigestories.de/stories/boss.php).
Die Fragen der richtigen Ernährung bis zu ihrem Ende zu verstehen und zu beantworten, heißt, sich auch mit den Mechanismen der Ausscheidung über den Mastdarm (=Rektum) zu befassen. Komplexe Vorgänge wie es auch die Versorgung des Körpers mit Nahrungsmitteln ist, werden nicht nur bestimmt durch die Aktionen, die sie einleiten und die Erreichung ihrer eigentlichen Ziele der Zuführung von Nähr- und Vitalstoffen zu allen Teilen des Körpers. Man muss sich auch um die nachgeschalteten Vorgänge kümmern wie insbesondere die ordentliche Beseitigung des entstehenden Abfalls.
Wenn Sie einen Blick auf die Anatomie und Physiologie des Mastdarms werfen, werden Sie ganz sicher über die Komplexität staunen.
-dr.gumpert.de-
Der letzte Dickdarmabschnitt, der bis zu 18 cm lange Mastdarm (Rectum), der sich an den absteigenden Dickdarmast des Colon descendenz anschließt, mündet nach in den absteigend in ihn eingebauten seitlichen Biegungen (Flexura sacralis, Flexura perinealis) zwischen den Pobacken in den Analkanal (Canalis analis), wohin der Stuhl ausgeschieden wird (Darmentleerung, Defäkation). Diesen Biegungen gegenüber finden sich in der Darmschleimhaut drei Falten (Plicae transversae recti). Die mittlere dieser Falten, die mit gut 6 cm seitlich in den Darm hineinragt, die sog. Kohlrausch-Falte, begrenzt nach oben hin den untersten Raum des Mastdarms, die sog. Ampulla (Ampulla recti). Über einen kurzen Übergang geht es dann in den etwa 3 – 4 cm langen Analkanal, an dessen Ende der Anus liegt,
Wenn der Urologe mit dem Finger den Darm auf Unregelmäßigkeiten abtastet und dabei beim Mann indirekt auch die Prostata, Bläschendrüse, Samenleiter und Harnblase und bei der Frau Gebärmutter, Scheide und Harnblase untersucht, gelangt er mit gewissem Nachdruck gerade bis an das obere Ende der Ampulla. Die Untersuchung des ganzen restlichen Dünndarms ist Sache der Darmspiegelung.
Der Mastdarm ist aus drei Schichten aufgebaut. Zuinnerst liegt die Darmschleimhaut. Über ihr liegt die Längs- und Ringmuskulatur, letztere vor allem stark ausgeprägt im Bereich des Analkanals als der innere und der äußere Schließmuskel. Ummantelt wird das ganze durch das Bauchfell.
Der innere Schließmuskel besteht aus länglichen Muskelzellen, die nicht willentlich einsetzbar sind. Sie stehen unter Daueranspannung und erschlaffen nur bei der Entleerung des Darms. Der äußere Schließmuskel, der aus quer gestreiften Muskeln besteht unterliegt unserer willkürlichen Steuerung. Auch er ist außer im Fall der Darmentleerung dauerhalt angespannt. Zu diesem Muskelsystem kommt ein dritter Muskel hinzu, der mit dazu beiträgt, dass sich der Enddarm füllen kann und der Mensch seinen Inhalt halten kann, ohne dass er ungeplant den Körper verließe (Kontinenz). Dieser dritte Muskel ist der Musculus puborectalis.. Der Musculus puborectalis umgibt den Mastdarm wie eine Schlinge. Hierdurch wird die durch die Flexura perinealis (s.o.) gebildete Biegung noch weiter verstärkt. Dies trägt ebenso zum Verschluss des Mastdarmes bei. Der Musculus puborectalis engt damit das Lumen des Mastdarms zu einem Schlitz ein, der kreuzförmig zur anderen Einengung des äußeren Schließmuskels verläuft. Der Musculus puborectalis ist übrigens ein quer gestreifter Muskel. Seine Arbeit kann daher auch vom Willen des Menschen beeinflusst werden.
Der Analschwellkörper (Corpus cavernosum recti)
Im Bereich des Analkanas ein Gefäß, von dem kaum ein Laie je gehört hat, dessen Existenz und Funktion aber jedermann täglich ins Bewusstsein rückt. Es ist der Schwellkörper namens Corpus cavernosum recti (auch Plexus hämorrhoidalis internus genannt) , ein Geflecht von zur allein passiven Aufnahme bestimmten Blutgefäßen, die über die nicht willentlich steuerbare Anspannung des inneren Schließmuskels hinaus einen Feinverschluss des Afterschließmuskels bewirken. Außerhalb der Ausscheidungsphase, also in der Kontinenzphase bzw. der Zeit der Füllung des Mastdarms mit Exkrementen, füllen sich die Zellen des Corpus cavernosum recti mit venösem Blut. Ohne nervöse Reize durch den Vorgang der Darmentleerung können sich die Zellen nicht entleeren. Der prall gefüllte Schwellkörper drückt die durch die Analschließmuskeln zu einem schmalen Schlitz zusammengedrückten Darmwände so hermetisch zusammen, dass im Regelfall nicht einmal Gas aus dem Darm entweichen kann. Die Gasabdichtung scheitert, wenn der Druck von innen zu groß wird. Kennt man die Mechanik, die die Darmwände bis auf einen schmalen Schlitz und noch enger zusammenpresst, versteht man auch, woher bei einem Entweichen von Gas durch diesen Schlitz die verschiedensten Töne entstehen.
Im Beitrag http://www.essenspausen.com/zur-darmentleerung-ab-in-die-hocke/ habe ich auf den Widersinn der Nutzung der von Nordeuropa aus in der ganzen Welt verbreiteten Sitztoiletten hingewiesen. Der Grund für diesen Widersinn ist, dass in der Sitzposition der Mastdarm in der Mitte künstlich zusammengequetscht wird, sodass allenfalls mit einer heftigen Bauchpresse der Vortrieb der Exkremente gelingt. Wie mitgeteilt, ist dieser Nachteil der Sitztoilette komplett dadurch auszugleichen, dass man einen Toilettenhocker an den Toilettentopf heranschiebt, sodass man in eine perfekte Hockstellung gerät. Selbst die Darmentleerung im Stehen ist dem traditionellen Toilettengang auf der europäischen Sitztoilette vorzuziehen. Physiologisch wirklich an die biologischen Gegebenheiten angepasst ist dagegen nur die Ausscheidung des Stuhls in der Hocke.
Aus verständlichen Gründen äußerer Hygiene („ es spritzt“) verlangen viele, besonders betont emanzipierte Frauen von den Männern, dass sie die Sitztoilette auch zum Wasserlassen benutzen („Sitzpinkler“). Ein Urinal ist natürlich noch besser, aber wer hat das schon zuhause. Aus Gründen der Sauberkeit ist jedenfalls die Benutzung einer Sitztoilette zum Pinkeln in Stehen nicht geeignet. Sich im Sitzen vom Wasser zu lassen, ist dann doch der bessere Weg.
Der erfolgreiche Toilettengang
Im Mastdarm liegen Dehnungs- und Berührungsrezeptoren. Füllt sich nun der Mastdarm mit Stuhl wird über diese Rezeptoren das Gefühl von Stuhldrang ausgelöst. Über Nervenverschaltungen erschlafft unwillkürlich der innere Schließmuskel. Ebenso erschlaffen der äußere Schließmuskel und der Musculus puborectalis. Dadurch kann sich der Analkanal erweitern, da nun kein Verschluss des Darmdurchlasses mehr gegeben ist. Auch das Corpus cavernosum entleert sich nun durch die nachlassende Muskelanspannung.
An dieser Stelle kann man auch willentlich ein wenig zur leichteren Darmentleerung beitragen. Der erste Schritt ist die Darmentleerung in der Hocke. Damit verbinden lässt sich eine bewusste Beendigung der außerhalb der Darmentleerung dauerhaften Anspannung der äußeren Darmschließmuskeln und des Musculus puborectalis, verbunden mit der Erhöhung des Drucks im Körper durch die Bauchpresse.
Im Grunde genommen können alle im Zusammenhang mit der Darmentleerung beteiligten Vorgänge bei bewusstem Erleben helfen, die für die Lösung nötige Entspannung zu bewirken. Schon das Denken an die Entäußerung vom Inhalt des Mastdarms trägt dazu bei. Leichte Hemmnisse bei der Darmentleerung lassen sich oft schon dadurch überwinden, dass man schon mal mit einem Toilettenpapier den After berührt.
Montag 2. Mai 2016 um 11:04
[…] S. auch http://www.essenspausen.com/unbekannter-mastdarm/ […]